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  • Glaskolben mit rotem Inhalt während der Synthese
Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie

Medizinische Chemie

Die Medizinische Chemie ist ein Teilgebiet der Pharmazeutischen Wissenschaften und vereint die Teildisziplinen Organisch-Synthetische Chemie, Pharmakologie sowie Aspekte der Biologie und des computergestützten Wirkstoffdesigns. Da es sich bei den meisten gebräuchlichen Arzneistoffen um organische Moleküle handelt („small molecules“), ist organisch-chemisches Wissen tief in der Medizinischen Chemie verankert.

Ziel der Medizinischen ChemikerInnen ist es, neue Arzneistoffmoleküle zu entwickeln und schlussendlich durch synthetische Arbeiten herzustellen, die dann mittels biologischer Assays auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden können. Hierbei spielen theoretische Überlegungen wie das Verständnis und die Charakterisierung von Struktur-Wirkungs-Beziehungen oder die Bindungsmodalitäten an ein bestimmtes Rezeptorprotein eine überaus wichtige Rolle. Der Weg eines neuen Arzneistoffkandidaten führt von seiner theoretischen Konzeption über die chemische Synthese und Reinigung hin zur Evaluation der biologischen Aktivität, um schließlich im Rahmen von Tiermodellen oder Patientenstudien auf Wirksamkeit und Sicherheit hin untersucht werden zu können.

Viele Untersuchungen finden im interdisziplinären Verbund statt, beispielsweise zusammen mit Pharmakologen oder Biologen. Die Medizinische Chemie ist somit ein Beispiel eines hochrangig interdisziplinären Forschungs- und Lehrgebietes.

"In einer Formel lesen wie in einem Buch"

...mit diesem Leitsatz wird die Medizinische Chemie in Würzburg vermittelt. Die viersemestrige Ringvorlesung "Medizinische Chemie" des Hauptstudiums setzt daher weniger den Fokus auf vielschrittige Synthesewege der einzelnen Arzneistoffe,  sondern auf die Betrachtung deren chemischer, physikochemischer und biologischer Eigenschaften. 

Anhand der Diskussion von Struktur-Wirkungs-Beziehungen der Arzneistoffmoleküle werden pharmakologische, pharmakokinetische und pharmakodynamische Zusammenhänge erläutert und die Stabilität von Arzneistoffen analysiert. Dabei ist das wichtigste Ziel, ein möglichst hohes Verständnis hiervon zu erlangen. Im späteren Berufsleben ist es nicht nur bei rein wissenschaftlichen Tätigkeiten essentiell, neue Arzneistoffe eigenständig und fundiert bewerten sowie die ihre Struktur-Aktivitäts-Beziehungen und Stoffeigenschaften verstehen zu können. Ein solches Verständnis kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Studierenden bereits während ihrer Ausbildung eigenständiges wissenschaftliches Denken entwickeln können. Dies erreichen wir beispielsweise durch aktives Einbinden der angehenden PharmazeutInnen in die Forschungsarbeiten der Dozierenden während der Praktika des Hauptstudiums oder im Rahmen des Wahlpflichtfaches, das in vielen Bereichen absolviert werden kann. 

Die neu konzipierte und von der Approbationsordnung bisher nicht vorgesehene Vorlesung "Prinzipien des Wirkstoffdesigns" und die angegliederten Übungen zur computergestützten Wirkstoffentwicklung sind ein repräsentatives Beispiel für die auf Wissenschaft basierten, interdisziplinären Ausbildung in Würzburg. Vorlesung und Übungen werden auch von Studierenden im Master-Studiengang Chemie mit Schwerpunktfach Medizinische Chemie besucht, was zusätzlichen Raum für interdisziplinären Austausch anbietet.

Pharmazeutische Chemie bedeutet auch Qualitätskontrolle von Arznei- und Hilfsstoffen

In kaum einem Bereich sind Forschung und Lehre so eng miteinander vernetzt: Wir erarbeiten auf Grund der Mitgliedschaft in Gremien des "Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte" (BfArM) und des "European Directorate for the Quality of Medicines and HealthCare" (EDQM) an der Ausarbeitung von Monographien für das Europäische Arzneibuch. Auch bei der Aufklärung weltweiter Arzneimittelfälschungen waren und sind wir beteiligt! Viele der in Würzburg entwickelten und optimierten Methoden haben den Weg in das Europäische Arzneibuch gefunden. 

Studierende können nicht nur im Rahmen von Projektarbeiten die Methoden und Techniken des Arzneibuches üben, sondern auch neue Verfahren entwickeln und validieren. Hierbei sind - besonders im analytischen Bereich - viele Überlappungen und praktische Anwendungsbeispiele mit der Pharmazeutischen Biologie und der Pharmazeutischen Technologie möglich!

Beispiele aus unserem Portfolio

Neue Wege in der Qualitätsanalytik von Arzneistoffen

Unsere Arbeiten haben beispielsweise maßgeblich zur Etablierung der NMR-Spektroskopie in der Reinheitsanalytik von Heparinen geführt. Wir waren auch an der Aufklärung der kürzlich entdeckten Nitrosamine in Sartanen beteiligt oder konnten wichtige Erkenntnisse zur Qualität verunreinigter Antibiotika beitragen.

Flüssigchromatographie (HPLC)

Wir entwickeln den Goldstandard in der pharmazeutischen Qualitätsanalytik weiter und setzen z. B. neue, hochsensitive Detektoren ein.

Europäisches Arzneibuch

Europäisches Arzneibuch

Neben der Mitarbeit an der stetigen Ergänzung und Revision des Europäischen Arzneibuches sind einige unserer ProfessorInnen Mitglied wichtiger Ausschüsse und Gremien beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie des Europäischen Direktorates für die Qualität von Arzneimitteln (EDQM) in Straßburg.

Untersuchung internationaler Arzneimittelfälschungen

In der Vergangenheit waren wir regelmäßig an der Aufdeckung von Arzneimittelfälschungen beteiligt und haben zum Teil auch neue Methoden hierfür entwickelt. Wir engagieren uns außerdem im internationalen Umfeld und kooperieren mit ausländischen akademischen und nicht-akademischen Partnern, um weltweit für mehr Arzneimittelsicherheit zu sorgen.

Bewährte Arzneibuchmethoden

Unsere Studierenden erlenen neben modernen, hochempfindlichen Verfahren auch etablierte Basismethoden, die bis heute beispielsweise in der öffentlichen Apotheke während der gesetzlich vorgeschriebenen Rohstoffeingangskontrolle unverzichtbar sind. 

Geschichte und Gegenwart

Viele heute noch gebräuchliche Methoden wurden in Würzburg entwickelt, z. B. durch die historischen Arbeiten der Nobelpreisträger Emil Fischer oder Walther Nerst oder durch Siegfried Ebel im Bereich der instrumentellen Analytik. Hierauf sind wir sehr stolz!